Romania was one of our favourite countries last time, even though we skipped some parts of it by train back then. We are more than happy to have crossed this beautiful country without any gaps now, because it simply offers the perfect cycling bliss: clean environment, interesting history and cultureS, good roads, idyllic camping spots. As we are travelling without frequent stays in hostels right now, I have to postpone translating this blog entry until some accommodation offers WiFi again.
Rumänien war bei unserer letzten Radltour eines unserer Lieblingsländer, auch wenn wir damals ein paar längere Abschnitte per Zug übersprungen haben. Wir sind überglücklich, dieses wunderschöne Land nun einmal lückenlos durchquert zu haben, denn es bietet einfach den perfekten Radlspaß: saubere Umgebung, interessante Geschichte und KulturEN, gute Straßen, idyllische Schlafplätze.
Ostersonntag, 20. April
Einer alten Tradition meiner Familie entsprechend, veranstalten Dave und ich heute unser eigenes kleines Osternestsuchen aufm Campingplatz. Und zwar mit Schweizer Schokolade, die wir von unserem Camp-Nachbarn Roman bekommen haben. Auf die Idee mit der Wäscheleine bist du auch noch nie gekommen, gell Papa?
Dass Dave nicht weit gegangen sein kann, habe ich gehört.
Aber dass er nicht einmal vom Tisch aufgestanden ist, um meine Schokolade zu verstecken, ist schon wirklich faul!
Roman lädt uns zum österlichen Mittagessen in sein Wohnmobil ein: Es gibt Käsefondue. Was hat der Mann eigentlich nicht dabei?
Wir lassen uns nicht lange betteln und greifen großzügig zu.
Am Nachmittag fahren wir mit Bus und Trambahn ins Stadtzentrum von Bukarest. Auf Anhieb erkennt man die althergebrachte Liebe der Rumänier zu Springbrunnen und den etwas neueren Trend, jede verfügbare Fassade als Träger für überdimensionierte Werbeplakate zu nutzen.
Klotzen statt Kleckern lautet die Devise: Der monumentale Kasten im Hintergrund ist der heutige Parlamentspalast, 1984 vom damaligen Diktator Nicolae Ceaușescu als "Haus des Volkes" angeordnet. Davor erstreckt sich der Boulevard der Vereinigung, eine Prachtstraße ähnlich der Champs Élysées, die damals als "Boulevard des Sieges des Sozialismus" angelegt wurde. Nur halt ein bisschen länger und breiter als das Pariser Original.
Überhaupt erinnert das Stadtbild von Bukarest stark an Paris, wie Dave und ich bei unserem Spaziergang feststellen:
Kleine Straßencafés, wuchtige Preise.
Weil es auch römische Spuren gibt, hat die Stadt Rom 1906 diese Statue von Romulus und Remus mit der Capitolinischen Wölfin gestiftet. Hübsch eingerahmt von Werbeplakaten.
Alles an dieser Stadt ist irgendwie weit, breit und großzügig angelegt. Sogar mehrere Seen liegen innerhalb des Stadtgebiets, und der Dâmbovita-Fluss verläuft mittendurch.
Besonders eigenwillig muten diese elektronischen Parkplatzwächter an: QR-Code scannen und bezahlen, dann klappt das Schild nach unten und man kann sein Auto draufstellen. Läuft die Zeit ab, steht das Schild wieder auf und hindert das Auto am Wegfahren.
Endlich finden wir richtige Eisdielen, aber die sind so unverschämt teuer hier, dass wir uns stattdessen einen Bubble Tea kaufen und damit zu den vielen anderen Leuten im Park setzen.
Ostermontag, 21. April
Wie bereits in mehreren anderen Städten, nehmen wir heute an einer Stadtführung teil, bei der man hinterher selbst entscheidet, wie viel man bezahlen will. Treffpunkt ist bei dem Park von gestern, gleich neben der größten choreografierten Springbrunnenanlage der Welt.
St.-Antonius-Kirche in der Altstadt, das älteste erhaltene Gebäude der Stadt von 1559. Über 200 Jahre lang wurden hier die Fürsten der Wallachei gekrönt.
Hanul lui Manuc, die letzte Karawanserei der Hauptstadt von 1808. Mit ursprünglich über 100 Gästezimmern, Lagerräumen und Weinkellern.
Im Innenhof des Gasthofes gibt es immer noch ein Restaurant, umgeben von zweistöckigen Arkaden im traditionellen Balkanstil.
Die Ruinen hinter diesem Baugerüst gehören zum ehemaligen Fürstenhof, der im 15. Jahrhundert für Vlad III. Drăculea erbaut wurde. Den kennt man hauptsächlich als die Romanfigur Graf Dracula, aber auch das Original war äußerst gefürchtet, und zwar nicht als Vampir, sondern als Pfählungsexperte.
Ein Schild am Zaun verspricht, dass die Renovierungsarbeiten bis April 2021 abgeschlossen sein sollen.
Schaut doch schon vielversprechend aus, oder?
Wunderschöne Wandmalerei, sowohl innen als auch an der Außenfassade der Stavropoleos Kirche von 1724.
Gebet oder Bibeltext über dem Eingang.
Fresko an der Decke im Vorraum.
Wandverzierung aus Bildern und Schnitzarbeiten.
Kuppel von innen.
Innenhof der Kirche mit alten Grabsteinen.
Da kommen Heimatgefühle auf! Wir bleiben vor einem sehr alten Restaurant stehen, und der Stadtführer erläutert die typisch rumänischen Schmankerl, die am Zaun abgebildet sind.
Sparkassengebäude.
Pasajul Macca Villacrosse, eine Einkaufspassage aus dem 19. Jahrhundert, in der man sich wie in Italien fühlt.
Den Eingang zu der Passage übersieht man leicht.
Überall herrscht mediterranes Straßencafé-Flair.
Aber auch durch die Namen weltbekannter Institutionen wurde seit jeher versucht, Bukarest einen mondänen Anstrich zu geben: Athenäum, Triumphbogen, Römischer Platz, Hotel Inter-Continental oder eben Odeon. Übrigens das einzige Cabriolet unter den Theatern weltweit: Das Faltdach über den Zuschauerrängen kann bei schönem Wetter geöffnet werden.
Ob die Münchner Schickeria-Disco für diese Bar Pate stand?
Einschusslöcher in dieser Fassade zeugen von der Revolution 1989.
Dagegen erzeugen diese aufgespannten Regenschirme über einer ansonsten langweiligen Seitengasse bei jeder Witterung gute Laune.
Iuliu Maniu, der bei der Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien 1918 eine wichtige Rolle spielte und von 1928 bis 1933 Ministerpräsident von Rumänien war.
Platz der Revolution von 1989: Auf dem winzigen Balkon im ersten Stock des heutigen Innenministeriums hielt der Diktator am 21. Dezember seine letzte Rede, die jedoch im Lärm der Demonstranten großteils unterging und mehrmals unterbrochen wurde. Als er und seine Frau der Menge per Hubschrauber entfliehen wollten, gab der Pilot vor, wegen Kraftstoffmangels mitten in der Pampa landen zu müssen, ließ die beiden aussteigen und flog davon. So schutzlos konnten sie endlich verhaftet und in einem kurzen Prozess verurteilt werden. Schon am 25. Dezember wurde ihre Hinrichtung im Fernsehen übertragen - frohe Weihnachten!
Denkmal der Wiedergeburt auf dem Platz der Revolution. Oder, wie der Volksmund sagt: die gepfählte Kartoffel.
Noch so ein importiertes Erfolgsmodell: Karl I. von Rumänien, geboren 1839 in Sigmaringen, musste 1866 als gewählter Fürst und ab 1881 als König einspringen, nachdem sein Vorgänger wegen Fortschrittlichkeit aus dem Land gejagt worden war und die anderen europäischen Adelshäuser das Angebot abgelehnt hatten, einen ihrer überzähligen Nachkommen als Herrscher nach Rumänien zu schicken.
Die Uhr an der von ihm gestifteten Universität im Hintergrund geht absichtlich eine halbe Stunde vor. Denn als Deutscher konnte er es überhaupt nicht leiden, dass er bei Terminen immer auf die Anderen warten musste.
Athenäum von 1888, eine Konzerthalle für 800 Zuschauer.
Mittagspause in einem kleinen Lokal mit einheimischem Bier.
Auf dem Rückmarsch nehmen Dave und ich noch den Parlamentspalast mit, den wir vorher nur aus der Ferne besichtigt haben. Das zweitgrößte Verwaltungsgebäude und schwerste Gebäude der Welt, 275 Meter lang, 235 Meter breit, 86 Meter hoch und 92 Meter tief. 5100 Räume, 200 Toiletten, 31 Aufzüge, 52 000 Quadratmeter Teppichboden, 2000 Kilometer Stromleitungen, 1 Million Kubikmeter Marmor.
Schon bei diesem Anblick von der Seite können wir nur noch mit dem Kopf schütteln. Die protzige neue Kathedrale, die momentan ebenfalls in der Kritik steht, wirkt daneben wie eine Kapelle.
Die schräge Frontansicht.
Wenn man direkt davor steht, wirkt das "Haus des Sieges über das Volk", wie die Bukarester Bevölkerung es lange heimlich nannte, nur noch grotesk. Vor allem mit dem riesigen leeren Parkplatz davor, auf dem wir stehen. Und trotz der unermüdlichen Arbeit von 700 Architekten und 20 000 Arbeitern im Schichtbetrieb gelingt es uns von keinem Punkt aus, ein wirklich symmetrisches Bild zu bekommen.
Blick in die entgegengesetzte Richtung: der Boulevard der Vereinigung, ursprünglich als "Boulevard des Sieges des Sozialismus" angelegt. Sofort fällt auf, um wie viel menschenleerer diese Prachtstraße im Vergleich zu ihrem Pariser Vorbild ist. Für den Bau dieser Straße und den Palast an ihrem Ende mussten dutzende Kirchen, drei Synagogen und über 20 Prozent der historischen Altstadt mit über 40 000 Wohnungen und eleganten Villen weichen.
Dienstag, 22. April
Einkaufen, Grillabend, Abenteuervideos bei Roman im Wohnmobil: Er zeigt uns einen Zusammenschnitt internationaler Nachrichtensendungen und Dokumentationen über seine Reisen als Mr. Mini Mack.
Mittwoch, 23. April
Meine Nerven! Der Tag beginnt entspannt mit dem Bearbeiten von Fotos, bis Dave fragt, ob wir denn für die Lieferung unserer neuen Schlafmatten keine Paketverfolgungsnummer bekommen hätten. Es folgen mehrere Stunden Live-Chat im sogenannten Kundenservice vom Globetrotter, bei dem es zunächst heißt, das Paket sei auf dem Weg nach Bulgarien, könne dort nicht zugestellt werden und würde daraufhin wieder zurückgeschickt. Das dauere erfahrungsgemäß 3-4 Wochen, nach denen wir das Geld zurückerstattet bekämen. Ich solle einfach nochmal neu bestellen. Eine Instanz höher (oder einfach nur einen Schreibtisch weiter, wer weiß das schon?) bekomme ich endlich die DHL-Nummer mit der Information, die Lieferung sei bereits erfolgt, und zwar bei meinen Eltern. Was die 30 Euro Versandgebühr betrifft, könne man leider nichts mehr machen, denn ich habe ja selbst "Bulgarien" angeklickt. Aaaaahhh!
Nach der ewigen Hin-und-Her-Schreiberei wird erst noch die Lufthansa-Homepage gewartet, logisch, dann geht's plötzlich ganz schnell: Flug buchen, Handgepäck herrichten, mit dem letzten Bus zum Flughafen fahren, weil der erste in der Früh zu spät wäre.
Donnerstag, 24. bis Dienstag, 29. April
Dave bewacht unsere Räder, während ich einen spontanen, aber sehr geselligen Heimatbesuch einlege. Mit einer ausführlichen Schatzsuche für Nichte und Neffen, zwei Theaterabenden, Singen bei der Erstkommunion, Maibaumwache, Eisessen und einem Überraschungsbesuch bei Papa in der Reha.
Als ich zurückkomme, hat Dave mein Rad schon geputzt. Er holt mich und die Ersatzteile vom Flughafen ab und gemeinsam bewundern wir die Springbrunnen von Bukarest nochmal im Abendlicht, bevor wir die neuen Matten ausprobieren.
Mittwoch, 30. April
Heute ist Daves Rad dran. Ansonsten passiert außer Route planen, Musik spielen und einkaufen nicht viel.
Donnerstag, 1. Mai
Nach dem Zeltabbau hinterlassen wir normalerweise keine Spuren, aber heute lässt es sich nicht vermeiden. Der Campingplatzbesitzer nimmt's gelassen.
Typisches Haus an der Straße. Farbenfroh, gepflegt, meistens noch mit Ratschbankerl außerhalb des Zaunes, auf dem hierzulande sogar auch mal die Frauen sitzen.
Wir fahren durch ewig lange Straßendörfer, die mir vom Flugzeug aus schon aufgefallen sind: Die Grundstücke sind extrem schmal, aber reichen weit hinten raus. Hinter den Häusern, die meistens nur so drei Meter breit sind, liegt jeweils ein Acker.
Dem gelangweilten Blick nach zu urteilen, wird dieser Kirchturmkauz regelmäßig fotografiert.
Glockenturm daneben. Beim Fotografieren fällt mir gar nicht auf, dass der Nachbar gegenüber in seiner Hofeinfahrt gerade dabei ist, seinen selbstgebrannten Obstler abzufüllen. Er hält uns auf, wir sollen warten, dann kommt er mit einer ehemaligen Mineralwasserflasche und einem Stapel Pappbecher zurück. Aber zum Anstoßen sei es zu früh, der Schnaps habe 40 Umdrehungen - wir sollen die Flasche mitnehmen und am Abend trinken...
Das tun wir jetzt. Also ein winziges Stamperl, mehr schaffen wir beim besten Willen nicht.
Gefahrene Strecke: 80,18 km
Durchschnitt: 17,53 km/h
Nachtlager: Wiese hinterm Friedhof von Baltita
Freitag, 2. Mai
Bestriechender Zeltplatz aller Zeiten! Erst waren wir enttäuscht, weil das Gelände unten am Fluss so vermüllt ist. Aber auf dem Rückweg zur Straße haben wir diese Wildkräuter-Kuhweide entdeckt, die jetzt in der Morgensonne wunderbar duftet.
Es geht landwirtschaftlich und bretteleben weiter, mit lauter dünnen, langen Feldern und wildem Krautzeugs in der Straßenböschung. Kein Wunder, dass sich hier der Schwalbenschwanz wohlfühlt: Auf diesem Abschnitt sehe ich den schönsten europäischen Schmetterling mehrmals täglich.
Ruine in Campina.
Mir reicht's, ich sattle um!
Mittagessen mit tierischer Unterhaltung.
Weiterfahrt am Doftana entlang flussaufwärts, und auf einmal sind wir mitten in den Bergen.
Staumauer - da wollen wir heute noch rauf!
Ein paar Serpentinen später...
In einem Biergarten an der Straße konnte ich unsere Flasche Obstler vorher gegen zwei alkoholfreie Radler eintauschen. Prost Feierabend!
Gefahrene Strecke: 64 km
Anstieg: 644 m
Höchstgeschwindigkeit: 52,45 km/h
Durchschnitt: 15,48 km/h
Nachtlager: auf 900 m an einem Waldweg überm Paltinu-Stausee
Samstag, 3. Mai
Blick von der Haltebucht an der Straße auf unseren Zeltplatz hinunter. Jetzt müssen wir nur noch die Räder wieder hier hochschieben!
Idyllische Weiterfahrt durch kleine Dörfer.
Irgendwann geht die Teerstraße in eine grobe Schotterpiste über, und der Verkehr wird noch ruhiger.
Schafherde auf Wanderschaft.
So. Und spätestens ab hier kommen gar keine Autos mehr durch. Wir sehen nur noch ein paar Quad-Fahrer auf diesem ausgemergelten Schlammpfad, der auch noch so steil ist, dass wir in 3-Meter-Abschnitten schieben und verschnaufen, schieben und verschnaufen.
Wildschweinabdruck.
Bärenspur.
So schaut pure Lebensfreude aus, oder?
Geschafft! Auf 1293 Metern machen wir erst einmal Brotzeit, denn die letzten vier Kilometer waren richtig schwere Arbeit. Danach schauen wir noch in beide Richtungen ins Tal, bevor wir unsere Bremsen glühen lassen.
Eigentlich wollten wir noch bis Brașov fahren, aber diese Wiese ist einfach zu schön. Genug Proviant haben wir dabei, und hier oben auf 900 Metern haben wir auch keine Angst, einfach aus dem Fluss zu trinken - also bleiben wir. Als das Zelt schon aufgebaut ist, gehen wir zum Fluss runter und entdecken dort jede Menge Wildschwein- und Bärenspuren, deshalb machen wir etwas mehr Krach als üblich.
Gefahrene Strecke: 35,38 km
Geschobene Strecke: 4 km
Anstieg: 549 m
stärkste Steigung: 17%
stärkstes Gefälle: 22%
höchste Stelle: 1293 m
Durchschnitt: 10,82 km/h
Nachtlager: Wiese am Weg neben dem Doftana-Fluss
Sonntag, 4. Mai
Kein Schwein hat in der Nacht irgendein Interesse an uns gezeigt, und auch kein Bär. Trotzdem haben wir immer nur mit einem Ohr geschlafen, man weiß ja nie...
Den restlichen Weg bis zur Nationalstraße rollen wir einfach bergab. Das erste menschliche Geräusch ist ein Männerchor, gut versteckt in diesem Kloster mitten im Wald. Ach ja: Heute ist Sonntag.
Und: Heute ist es genau ein Jahr her, seitdem wir von daheim losgestrampelt sind. Drum gibt's heute als zweites Frühstück gleich mal einen Baileys in den Eiskaffee bzw. Cappuccino.
Irgendwie scheinen silberne Dachflächen eine besondere Bedeutung zu haben. Das ist uns auch 2014 schon aufgefallen, aber so genau konnte es uns bisher noch niemand erklären.
Typisches Straßenbild in den Dörfern.
Auf den viel befahrenen Nationalstraßen sind Pferde- und Eselkarren meistens verboten, aber in den Dörfern und auf den Kreisstraßen sehen wir sie überall rumkurven - als Familienkutsche, Schrotthändler, Gras- oder Langholztransport.
Gefahrene Strecke: 35,31 km
Durchschnitt: 17,86 km/h
Nachtlager: Campingplatz in Honigberg
Montag, 5. Mai
An der Pinnwand in der Spülküche hängt dieses Plakat. Vielleicht sollten wir uns den Ort mit dem süßen Namen doch noch genauer anschauen?
Das alte Pfarrhaus, in dessen Garten wir zelten, gehört zur Honigberger Kirchenburg auf der anderen Straßenseite. Das Dorf wurde Anfang des 13. Jahrhunderts vom Deutschen Ritterorden gegründet, um 1280 begann der Bau der Kirchenburg.
Eingang zur Kirchenburg.
St.-Nikolaus-Kirche von 1240 im Inneren der fast kreisrunden Burgmauer. Die Holztreppen führen zu den sogenannten Schwalbennestern, Vorratskammern für die Bewohner der Burg.
Barockaltar von 1787.
Was mir als Erstes ins Auge sticht, sind die nummerierten Kirchenbänke mit den bunten Decken und Kissen, mit denen sich wohl die (heutigen) regelmäßigen Gottesdienstbesucher etwas bequemer eingerichtet haben. Davor und dahinter gibt es auch normale Kirchenbänke, aber diese hier waren ursprünglich speziell für die verheirateten Frauen: Da es deren Tracht damals nicht erlaubte, sich anzulehnen, bestehen die Bänke nur aus einem Tannenbalken.
Orgel von 1889.
Diese Einladung nehme ich natürlich gerne an!
Läutwerk.
Du liest das Schild und denkst dir so: "Eh klar!", gehst rum und fotografierst... bis es Dreiviertel schlägt und dein Herz einen dezenten Aussetzer hat.
Diesen deutschsprachigen Kirchenführer habe ich am Eingang in die Hand gedrückt bekommen, mit dem Hinweis: "Achten Sie auf Ihren Kopf und auf Ihre Füße!" Hier oben wird klar, warum.
Blick Richtung Süden.
Blick nach Westen.
Blick nach Osten.
Geht das noch als Treppe durch oder ist das schon eine Leiter mit Handlauf?
Modell im Kirchenraum. Rechts erkennt man den einen Wehrturm mit Pultdach, in dem sich die Burgkapelle befindet.
Die zweistöckige Ringmauer diente mit ihren sieben Wehrtürmen nicht nur dem Schutz der Bewohner vor fremden Angriffen, sondern enthielt auch deren Wohnungen, Lagerräume und Werkstätten.
Das Innere der Kapelle aus dem 15. Jahrhundert ist ein echtes Juwel, denn das Ensemble aus Decken- und Wandbemalung ist in seiner Vollständigkeit und seinem Erhaltungszustand einzigartig. Es stellt ein zusammenhängendes Lehrbild zur Erlangung des ewigen Heils dar - also quasi ein Lebensratgeber aus der Anfangszeit des Buchdrucks.
Es gäbe noch mehr zu entdecken, aber wir haben heute ja noch was vor...
Ortswechsel: Mit dem Bus fahren wir nach Brasov. Auf das Wiedersehen mit dieser Stadt haben wir uns schon die ganze Zeit gefreut.
Die Schwarze Kirche kennen wir bereits von unserem ersten Besuch hier vor elf Jahren. Damals musste man allerdings noch keinen Eintritt bezahlen, um hineinzugehen.
Wir zwei verstehen uns!
Auf einmal schlägt das Wetter um - da tut so eine traditionelle Bohnensuppe mit Speck gut, serviert in je einem ganzen Brot.

Gestern haben wir in einem Baumarkt diese Plane gekauft, und dazu 150 Meter Angelschnur. Heute entsteht daraus der neue Sack für Daves Woiperdingerkoffer, denn der bisherige ist nach einem Jahr auf dem Anhänger nicht mehr ganz wasserdicht.
Stunden später: Sollte wieder halten!
Zum Abendessen gibt's endlich mal wieder unseren Spezial-Eiskaffee: salzige Karamelleis-Waffelhörnchen ausm Supermarkt mit Fertigcappuccino übergießen, zermantschen, leider geil!
Mittwoch, 7. Mai
So farbenfroh kennt man Daves Gefährt gar nicht. Hoffentlich haben wir bald mal Zeit, auch für die Ukulele einen stabilen Sack zu nähen.
Einmal erwischt uns der Regen, drum warten wir hier unter dem großzügigen Vordach einer Aussegnungshalle.
Wir lieben die Landschaft hier und fragen uns, ob die Evolution des menschlichen Auges mit Rumänien verbunden ist. Wo sonst lohnt es sich, so viele verschiedene Grüntöne unterscheiden zu können?
Dafür zeigen sich die Ortschaften in allen Farben, immer mit stolzen Kirchen oder einer Burg, total ordentlich und sauber.
Ein Feldweg führt uns zu einer Wiese über der Straße mit Blick auf Dacia.
Gefahrene Strecke: 78,53 km
Durchschnitt: 16,93 km/h
Nachtlager: Wiese an der Straße bei Dacia
Donnerstag, 8. Mai
Während wir zusammenpacken, bekommen wir Besuch von einem Mann, der uns auf Spanisch erklärt, dass es in dieser Gegend Bären gibt. Das ist uns nicht neu, aber vorsichtig sind wir natürlich trotzdem: Wie auch in Kanada, machen wir uns durch allerlei Geräusche bemerkbar und vermeiden Essensgerüche am Zeltplatz.
Wir können uns einfach nicht sattsehen an dieser Gegend!
Irgendwann landen wir zufällig in Viscri, einem alten Bauerndorf, das Ende des 12. Jahrhunderts von Siebenbürger Sachsen gegründet wurde. Seit 1999 stehen der Dorfkern und die dazugehörige Kirchenburg unter dem Schutz der UNESCO.
Viele der ehemaligen Bauernhäuser werden heute als Pensionen, Restaurants oder Cafés betrieben. In einem davon genehmigen wir uns einen Cappuccino und einen Rundgang.
An fast jedem Giebel liest man deutsche Namen und das jeweilige Baujahr.
Es ist wie in einem Bauernhofmuseum daheim!
Tja, und mittendrin steht dieser blaue Hof. Wer errät, wem der gehört?
Kilometerstein am Ende der Straße. Dieser Abschnitt ist nicht lang, aber für uns einer der schönsten unserer Tour.
Schon wieder eine Burg hoch über einer Ortschaft.
Wir verbringen anderthalb Stunden in einem Buswartehäuschen, während zwei Gewitterfronten über uns hinwegziehen. Hinsetzen verbietet sich aus hygienischen Gründen komplett, Stehen wird irgendwann recht langweilig... also Tanzen! Und zwar auf Violent Femmes: Waiting for the Bus.
In einem abgelegenen Dorf wird die Straße immer schmaler, und danach geht der Teer in eine spaßige Mischung aus Schotter und Sand über, die vom Regen total aufgeweicht ist. Trotzdem genießen wir die Fahrt, weil die Landschaft rundrum einfach soo schön ist.
Es ist schon nach 19 Uhr, als wir wieder an einer Hauptstraße rauskommen und nach einer Bleibe suchen. Kaum steht das Innenzelt, blitzt, donnert und schüttet es von Neuem los. Drum gibt's vom heutigen Zeltplatz nur dieses Foto: Gemüsewaschen leicht gemacht!
Gefahrene Strecke: 65,9 km
Durchschnitt: 15,1 km/h
Nachtlager: Wiese am Bezid-See
Freitag, 9. Mai
Es hat die ganze Nacht gestürmt und geregnet, aber wir sind trocken geblieben. Trotzdem kommen wir heute so gar nicht aus den Federn, und nach dem Frühstück kriechen wir gern wieder zurück in den Schlafsack, als es erneut anfängt zu tröpfeln. Mittags rum raffen wir uns endlich auf und packen zusammen, aber es ist uns jetzt schon klar, dass das heute kein großer Radltag wird.
Der Bezid-See von der Straße aus. Beim Mittagessen in Sângeorgiu de Padure fällt uns eine gemütlich wirkende Pension gleich gegenüber auf...
Gefahrene Strecke: 5,44 km
Nachtlager: Pension in Sângeorgiu de Padure
Samstag, 10. Mai
Sehr produktiver Arbeitstag in der Pension: Sack für die Ukulele nähen, Zelt trocknen, Satteltaschen säubern, E-Mail an das Hostel in Batumi, das uns noch Geld schuldet, Routenplanung ändern, einkaufen, Räderwellness in der Autowaschanlage, Musik spielen, Blog bearbeiten.
Der Regensack für die Ukulele ist fertig. Aber hat jemand meinen Mann gesehen?
Sonntag, 11. Mai
Der erste Teil des Tages ist eine gemütliche Radltour durch kleine Ortschaften und an einem Fluss entlang, aber eher unspektakulär. Wir haben uns auf Târgu Mures gefreut, eine schmucke Stadt mit gut erhaltenen historischen Bauwerken und entsprechenden Einkehrmöglichkeiten - aber hier schlägt das Wetter um. Wir wärmen uns in einem Café auf und kaufen kurz fürs Abendessen ein, dann hauen wir ab.
Pünktlich nach dem Zeltaufbau verziehen sich die Wolken langsam, so dass unser Traumschlafplatz richtig schön zur Geltung kommt: Eine Apfelbaumplantage hoch über der Straße.
Gefahrene Strecke: 66,83 km
Anstieg: 647 m
Durchschnitt: 17,33 km/h
Nachtlager: Apfelbaumplantage neben der Straße bei Berghia
Montag, 12. Mai
Heute wird's noch buckliger als die letzten Tage. Echt anstrengend, aber mit vielen tollen Blicken wie diesem hier.
Kurz verschnaufen und Jacke wieder anziehen...
... denn gleich wird's kalt!
Spontan fahren wir noch um einen langgestreckten See herum, an dem wir endlich unseren alten Freund von der Donau, den Drosselrohrsänger, wiederhören.
Aus irgendeinem Grund bleiben wir heute den ganzen Tag trocken, obwohl sich rund um uns immer wieder garstig dreinblickende Wolken formatieren.
Gefahrene Strecke: 66,34 km
Anstieg: 721 m
Höchstgeschwindigkeit: 58,23 km/h
Durchschnitt: 14,6 km/h
Nachtlager: Wildkräuterwiese neben der Straße bei Ceanu Mare
Dienstag, 13. Mai
Wieder so ein wohlriechender Morgen.
Der Wind treibt nicht nur mit uns sein wildes Spiel, sondern auch mit den Wolken.
Derselbe Blickwinkel, nur näher hingezoomt - so erkennt man auch die Schafherde, die mir beim Vorbeifahren aufgefallen ist. Für solche Fotos wäre halt jetzt unsere große Kamera geil, die wir aus Gewichts- und Platzgründen gegen eine kompaktere Version eingetauscht haben.
Endlich kriege ich mal so ein Pferdegespann aufs Bild! Unser Favorit wäre ja gestern der dicke Mann mit den zwei noch dickeren Schweinen hinten drauf gewesen, aber da war ich zu langsam...
Gefahrene Strecke: 46,93 km
Durchschnitt: 14,83 km/h
Nachtlager: Campingplatz in Cluj-Napoca
Mittwoch, 14. Mai
Ernüchternde Nachricht am Morgen aus dem Büro der Abgeordneten meines Heimatwahlkreises im EU-Parlament: Es gibt keine Verlängerung für Daves 90-Tage-Aufenthaltsrecht in den Schengenländern. Und dann hockt auch noch eine Maus im Abfalleimer der Campingplatzküche, so dass ich unverrichteter Dinge davonlaufe, um meinen Lieblingshelden aufzuwecken, damit er mir hilft. Der Tag fängt ja gut an!
Eigentlich hatten wir vor, uns die Stadt Cluj etwas näher anzusehen, aber dazu sind wir jetzt zu grantig. Außerdem müssen wir besprechen, ob und wie und wo und wie lange wir weiterreisen wollen - und plötzlich stehen so wilde Möglichkeiten wie Südamerika, Reisen ohne Fahrrad oder die frühzeitige Übernahme unseres Hauses in Kanada im Raum, denn auch dort gab es letzte Woche eine herbe Enttäuschung: Die Arbeitsgenehmigung der chilenischen Mieter wird nicht verlängert.
Donnerstag, 15. Mai
Radlweg am Fluss entlang, und dann auch noch in netter Begleitung: Gestern Abend haben wir den ersten anderen Radreisenden in dieser Saison kennengelernt, mit dem wir heute morgen vom Campingplatz aus starten, ein junger Dresdner auf dem Weg nach Georgien.
Der letzte Anstieg ist geschafft, ab sofort steigt nur noch die Stimmung. Denn jetzt geht es 50 Kilometer lang bergab, juchu!
Uralte Kirche mit Schindeldach in einem Dorf. Wie ich später im Internet erfahre, gibt es in dieser Gegend mehrere davon, sie stammen so aus dem 17. /18. Jahrhundert und sind Weltkulturerbe. Orthodoxe Kirchen in Siebenbürgen durften während des österreichisch-ungarischen Kaiserreiches nicht aus Stein gebaut werden.
Eingangsportal, leider verschlossen.
Kirchturm auf der Westseite.
Aufwändig geschnitztes Kreuz auf dem Friedhof.
Rückseite ohne Fenster.
Wir kommen super voran und rechnen mit einem dreistelligen Radltag, doch in Jibou holt uns der Regen ein. Erst versuchen wir, ihn bei einem Cappuccino auszusitzen, aber die weiteren Aussichten überzeugen uns davon, dass wir uns heute lieber ein Dach überm Kopf gönnen.
Gefahrene Strecke: 88,6 km
Durchschnitt: 18,76 km/h
Nachtlager: Pension in Jibou
Freitag, 16. Mai
Sobald das Getriebe trocken ist, bleiben wir stehen um die Ketten zu schmieren. Dabei beobachten uns drei Jungs im Grundschulalter, befragen uns neugierig und testen meine Wadl- und Oberschenkelmuskeln. Ganz schön frech!
Jedes Dorf hat mindestens einen Strommasten mit Storchennestaufbau.
Leitplankengymnastik zwischendurch.

Schlafplatzsuche: Wir folgen diesem Wiesenweg, der von der Straße wegführt.
Gefahrene Strecke: 64,48 km
Höchstgeschwindigkeit: 54,81 km/h
Durchschnitt: 16,66 km/h
Nachtlager: eingezäunte Kuhweide bei Supur
Samstag, 17. Mai
Weiter geht's: Rumänien neigt sich dem Ende zu.
Viel benutztes Ratschbankerl an einem Gartenzaun.
Besondere Grüße an Meggie, Chris, Tom und Vroni!
Carei, die letzte Stadt in Rumänien, zeigt sich uns nochmal sehr gepflegt und freundlich, mit Fahrradwegen, gutem Kaffee, zwei albanischen Bäckern, die uns Wasser und Käsebällchen schenken, und zwei Grenzpolizisten, die sich mit uns über ihr Land und unsere Reise unterhalten. Das war bestimmt nicht unser endgültiger Abschied!
Gefahrene Strecke: 84,79 km
Durchschnitt: 17,5 km/h
Nachtlager: Mini-Grasfläche neben einer Obstplantage bei Nyírbátor (Ungarn)
Neueste Erkenntnisse: Auch langsame Fortschritte sind Fortschritte - und vielleicht ist es besser, eine Gesellschaft nach einer historischen Wende nicht komplett umzukrempeln. Wo jedes Grundstück seinen eigenen Brunnen hat, finden wir nur sehr schwer Trinkwasser. Abgesehen davon ist Rumänien das ideale Land für Radltouren, für jeden Geschmack etwas dabei. Es regt uns immer noch tierisch auf, wenn sich eine Regierung bemüßigt fühlt, sich in die privaten Angelegenheiten und Lebensplanung anständiger Leute einzumischen. Aber irgendwie wurschtelt man sich schon durch, und wenn einem jemand so die Tür vor der Nase zuhaut, sieht man oft erst die Seitenausgänge. Zebrastreifen sind den Rumänen heilig - da halten sogar Einsatzfahrzeuge und ein Leichenzug!
Offene Fragen: Was bedeuten die silbernen Dachflächen? Können Pferde geblitzt werden? Heißen Zebrastreifen Zebrastreifen, wenn sie rot-weiß sind?
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