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Thursday, October 19, 2023

Der neue Woiperdinger: Daves Reise-Sitar-Gitarre

Dass wir auf so einer langen Reise nicht komplett aufs Musizieren verzichten wollen, war schon bei der Planung für die erste Fahrradtour 2013 klar. Doch die Auswahl der Instrumente zog sich bis kurz vor der Abreise: Womit kann man alleine, aber auch in einer Gruppe spielen? Worauf lässt sich eine schöne Bandbreite an Musikrichtungen üben? Was verträgt all die Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen, den Staub und den einen oder anderen Rempler? Wie groß und schwer darf es sein? Wie und wo transportieren wir es?
Letztendlich sind wir mit Sitar, Mandoline, Didgeridoo und Mundharmonika losgefahren. Nach zwei Monaten haben wir uns von letzteren beiden getrennt, dafür habe ich mir in San Francisco eine Melodika gekauft. Die Mandoline hat es bis Guatemala geschafft, aber dann ist in der Hitze der Leim auseinandergegangen. Kurz darauf hat sich Dave in eine Charango verliebt...
Dave und ich an einem wunderbaren Abend im November 2013, irgendwo in Kalifornien am Strand.

So ähnlich stellen wir uns das auch für die nächste Tour vor. Meine Melodika darf also wieder mit, aber Dave möchte seiner geliebten Sitar nicht nochmal so eine Strapaze zumuten, und aufs Gitarre spielen will er auch nicht wieder soo lange verzichten. Deswegen hat er sich seit Anfang Oktober in seiner Werkstatt verschanzt:

Über das vergangene Jahr hinweg hat er ein Saiteninstrument entworfen, auf dem er sowohl "normale" als auch bundlose und Slide-Gitarre sowie Sitar spielen kann.
Die drei Bretter auf der Hobelbank werden einmal die drei Hälse, die er nach Lust und Laune austauschen kann.

Eine Woche drauf:
Unter dem dunklen Griffbrett des Sitar-Halses verstecken sich zwei Aluminiumschienen, auf denen Dave später einmal die Bünde hin- und herschieben kann. Je nach Stimmung einer Komposition stellt er so quasi die Tonleiter ein. Auf diese Erfindung ist er wirklich stolz!
Noch kann man den Hals auseinandernehmen und erkennen, was später alles unter dem Griffbrett versteckt sein wird: Zwei Carbon-Stangen sorgen für Stabilität, die beiden Aluschienen gehören zum Stimmen.
Und die drei Hälse nochmal nebeneinander, mit den jeweiligen Griffbrettern dazu: in der Mitte die Sitar, links und rechts die normale und die bundlose Gitarre (im Moment gibt's da noch keinen Unterschied).

Mitte Dezember:
Während ich alleine draußen im Schnee spiele...
... geht die Arbeit im Keller gut voran: Wenn man die zwei Saitenhalter und drei Hälse auf die Zeichnung legt, kann man sich schon was drunter vorstellen.

Anfang Januar:
Jetzt ist der Korpus an der Reihe: Nachdem sich diese alte Gitarre noch selbst ein Abschiedslied spielen durfte, werden ihr fein säuberlich Saiten und Hals amputiert, der Steg flachgefeilt (deshalb der Schutz aus Klebeband)...
... und der Korpus innen verstärkt. Beim Leimen darf ich sogar assistieren, weil ich bis zum Ellbogen in das Loch passe!

Ende Januar:
In diesen 25 Kleinteilen steckt über eine Woche Arbeit: die Sitarbünde.
Der erste wird gleich mal an den Sitarhals geschraubt, obwohl er noch nicht ganz fertig ist. Jetzt sieht man auch, wie man die Bünde entlang der Aluschienen verschieben und die Sitar dadurch stimmen kann.

Die Einzelteile für die Sitar...
... und dazu noch die beiden anderen Hälse, die vorige Woche fertig geworden sind. Anfang Februar fliegt Dave nach Kanada, um sich von seiner Familie zu verabschieden. Ich bin neugierig, ob er dort dazu kommt, einige noch ausstehende Arbeiten zu erledigen.

Mitte März:
Der Sitarhals wird unter den Bünden ausgehöhlt, viiiieele kleine Löcher gebohrt...
... und die Wirbel der Resonanzsaiten kommen an den Seitenarm.
Mit stabilen Bindfäden probiert Dave aus, ob die Saiten überhaupt Platz haben und an den richtigen Stellen verlaufen.
Jetzt fühlt es sich schon fast fertig an. Schwer ist das Teil, Mannomann!

April:
Seit unserem Auszug wohnen wir übergangsweise bei meinen Eltern. Dort baut sich Dave direkt neben dem Bett (sprich: unseren Camping-Matten) seine Werkstatt wieder auf, um den Woiperdinger fertig zu bekommen.
Nach etlichem Ölen, Trocknen lassen, Schleifen, Ölen, Trocknen lassen, Schleifen........ werden irgendwann endlich die richtigen Saiten aufgezogen.
Die erste Klangprobe gibt's am 26. April bei meinen Eltern im Esszimmer. Es klingt so schön, dass ich vor lauter Dahinschmelzen das Fotografieren vergesse, aber Papa hat seinen Fotoapparat griffbereit:

Der schlimmste Rückschlag in der ganzen Zeit ist der Cellokoffer, der Mitte April geliefert wird: Am Hals ist er 2 Zentimeter zu schmal. Dave ist am Boden zerstört und versucht sich mit dem Gedanken abzufinden, den Woiperdinger hier einzulagern und erst nach unserer Rückkehr spielen zu können.
Doch da kommt Bewegung in meine Familie: Es wird recherchiert und überlegt, wie und womit man selber einen Instrumentenkoffer bauen könnte - und zwar schnell. Bei einem Holzhändler erstehen wir zunächst Kompaktplatten, entscheiden uns dann aber um für Siebdruckplatten, weil die nur halb so viel wiegen. Bei unseren Nachbarn dürfen wir die Formatkreissäge benutzen (unsere ist ja schon verkauft!), Mama leiht uns zigmal ihr Auto (unseres ist ja schon verkauft!) für Besorgungsfahrten zu den Baumärkten rundrum, Papa räumt eine Ecke in seiner Holzwerkstatt frei (unsere ist ja schon weitervermietet!) für die staubigen Arbeiten und hat auch sonst eine Idee nach der anderen.
Es entsteht ein Koffer mit Deckel, der frei stehen kann und nicht nur den Woiperdinger, sondern auch alle Zubehörteile beheimaten wird.
Dann der Innenausbau:

Styrodur in seiner schönsten Form...

... darauf Schaumstoff und zum Schluss weicher Filz.

1. Mai:
Fertig!!

Auch ich steuere Blut, Schweiß und Tränen bei: Mit viel Unterstützung von Mama und Maria entsteht noch ein wasserdichter Sack aus einer Plane. Es kann losgehen!

Sunday, August 6, 2023

Probefahrt

Lang hat's gedauert, aber jetzt ist mein Fahrrad komplett - endlich!!

Freitag, 4. August:
Als ich nach einer Woche Ministrantenfreizeit heimkomme, bleibt weder Zeit für viel Romantik noch zum Durchschnaufen oder gar eine Dusche. Ich werde umgehend zur "Anprobe" gebeten, damit Dave die Gabel auf die richtige Länge zuschneiden kann:
Ein gruseliger Moment, denn verlängern kann man die Gabel jetzt nicht mehr. Damit ist die Garantie endgültig hin, bevor ich überhaupt einmal auf dem Rad sitze!


Samstag, 5. August:
Am nächsten Tag: die letzten Handgriffe...
... Tatarataa!!
Freilich will der große Bruder auch mit aufs Foto. Und meine neuen Schuhe, auf die ich die Sitzhöhe eingestellt habe. Weil es regnet und Dave mir verboten hat, mein schönes neues Rad zu versauen, müssen wir unsere erste Fahrt verschieben. Also sitzen wir hier wie zwei frischgebackene Eltern und bewundern unser "Baby" von allen Seiten, streicheln immer wieder mal drüber, lächeln verzückt und stellen uns vor, was es noch alles erleben wird.


Freitag, 11. August:
Chris vereitelt unseren ursprünglichen Plan, ihn heute mit dem Rad in Rosenheim zu besuchen. Denn er hat schon mit ein paar Leuten eine Wanderung auf die Hochries ausgemacht, zum Sternschnuppen-Anschaun. Für so eine Nacht lassen wir die Räder gern im Auto und schnallen unsere Rucksäcke auf! 



Wunderschöne Abendstimmung über dem Chiemgau.
Langsam wird's finster, aber eine gute Stunde haben wir noch bis rauf!

Das letzte Stück gehen wir mit Stirnlampen, und überall rascheln Kröten und Alpensalamander durchs feuchte Gras. Kurz unter der Hochrieshütte (1569m) pflanzen wir einfach unsere Matten und Schlafsäcke in die Wiese, machen Brotzeit und beobachten die Perseiden am Himmel, bis uns die Augen zufallen. Was für eine schöne Nacht!


Samstag, 12. August:
Aussicht vom Schlafsack aus bei Sonnenaufgang. Apropos: Die Füllung aus Wolle hält uns auch ohne Zelt trocken und warm.
Frühaufsteher Chris grinst schon aus dem "Bett".
Abstieg auf demselben Weg, danach fahren Dave und ich zum Frühstücken nach Nußdorf, wo wir das Auto stehen lassen und auf die Räder umsteigen.
Der Innradweg Richtung Innsbruck wird also die erste richtige Testfahrt für mein Rad. Dave hat sicherheitshalber sein Werkzeug dabei...
Kufstein mit seiner mittelalterlichen Festung.
Kundendienst am Wegesrand, weil die Kassette locker ist.
Fazit: Auf gerader Strecke laufen sowohl wir beide als auch unsere Räder einwandfrei, und den Innradweg kann man wirklich empfehlen. Wir merken fast nicht, dass wir heute 70km gefahren sind! Weniger empfehlenswert: Nach 10 Wochen verordneter absoluter Sportabstinenz, am Tag nach einer Lebendimpfung (Gelbfieber) mit gut trainierten Leuten zum Bergsteigen gehen. Aber es hat sich halt so ergeben...
Morgen wollen wir es im Gelände wissen und dabei auch erstmals das Navi von meinem Tacho ausprobieren. Leider sind die Campingplätze um den Chiemsee rum hoffnungslos ausgebucht dieses Wochenende, drum fahren wir heim zum Duschen und Übernachten.
Das Auto räumen wir gar nicht erst aus!


Sonntag, 13. August:
Vom grünen Inn über die schöne blaue Donau zum Schwarzen Regen: Wir lassen das Auto in Viechtach stehen und radeln am Fluss entlang Richtung Cham. Also, zumindest war das der Plan. Doch die Route, die ich am Bildschirm zusammengebastelt habe, erweist sich als alles andere als gemütlich. Es geht über Stock und Stein durch den Wald, mit Steigungen - nicht nur einmal!! - von bis zu 25% und sogar einer Treppe, obwohl ich "Tourenrad" angeklickt habe. Das mit der digitalen Routenplanung muss ich wohl noch üben...

Jedenfalls landen wir irgendwann hier auf der Staumauer des Höllensteinsees und beschließen, das Navi zu ignorieren und frei Schnauze weiterzuradeln. Kann ja nicht so schwer sein, hier in der Gegend auch "normale" Radwege zu finden, oder?


Bingo! Auf kleinen Dorfstraßen kommen wir bis Blaibach, wo wir zufällig auf einen hervorragenden Radlweg stoßen: den Regental-Radweg, der von Bayerisch-Eisenstein bis Regensburg geht und hier auf einer stillgelegten Bahntrasse verläuft.
Sogar die alten Bahnhofshäuschen stehen noch und dienen jetzt den Radfahrern als Pausenstationen.
Wieder zurück in Viechtach, genehmigen wir uns ein Eis...
... und finden ein paar Kilometer außerhalb einen perfekt gelegenen Campingplatz. 
Fazit: Auch in buckligem Gelände funktioniert mein neues Rad gut, die Geometrie des Rahmens passt mir perfekt, und den Regental-Radweg können wir ebenfalls empfehlen.

Ganz nebenbei entdecken wir auf einer Wanderkarte, dass zwischen Himmel(-berg, Grenzberg zwischen Ndb. und Opf.) und Hölle(-nstein) gerade mal 15km Luftlinie liegen. Soll noch einer behaupten, die Waldler seien keine Philosophen!
Für den Moment reicht es uns mit Strampeln, morgen wollen wir ins Wasser!


Montag, 14. August:
Am Blaibacher See leihen wir uns ein Kajak aus und paddeln damit äußerst gemächliche 12 Kilometer bis Chamerau. Fotos gibt es davon keine, weil wir die Kamera lieber im Auto lassen.
Am späten Nachmittag schwimmen wir eine Runde im Blaibacher See und sehen am Kiosk ein Plakat, das auf ein Live-Band heute Abend hinweist. Vor knapp 5 Jahren hatte Dave hier auch schon einmal einen Auftritt, und die Stimmung war super. Drum bleiben wir einfach hier, trinken noch was und genießen die schöne Umgebung.

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